"Der Schneider von Gent" ist ein asymmetrisches Spiel für
zwei Personen. Die Idee dazu kam mir, als zwei verschiedene
alternierende planare Graphen mit 17 Knoten und 17 Flächen
gefunden worden waren: einer (der "Schneider-17") von Frank Schneider
schon im Frühjahr 2008, der andere ("Ghent-17") durch die
Gruppe von Professor Gunnar Brinkmann an der Universität von Gent
Anfang 2013.
Die "Gent-Gruppe" bewies auch mit vollständiger Enumeration,
dass dieses die beiden einzigen alternierenden planaren Graphen mit
17 Knoten sind. Ihre Computer-Läufe zeigten auch, dass es keine
3-zusammenhängenden alternierenden planaren Graphen mit weniger
als 17 Knoten gibt.
Als Stadt war das belgische Gent über etliche Jahrhunderte
berühmt für die Herstellung und den Handel von Tuchstoffen.
"Schneider" ist der Familienname von Frank Schneider. Diese
Querbeziehung - zusammen mit der Beobachtung, dass planare Graphen
passender Grösse schöne Spielbretter abgeben - liess mich
über ein zugehöriges Brettspiel nachdenken.
"Der Schneider von Gent" kann entweder auf dem "Schneider-17"
oder auf dem "Ghent-17" gespielt werden. Zu Hause habe ich ein
laminiertes Brett, wo auf der einen Seite der Schneider-17 drauf ist,
und auf der Rückseite der Ghent-17. Je nach Stimmung wird auf diesem
ode jenem Brett gespielt.
Spielmaterial
Das Spielbrett ist entweder der Ghent-17 oder der Schneider-17, gezeichnet als
planarer Graph mit einem Viereck als Aussenfläche.
Ein Fingerhut, etwa 50 Streichhölzer, und 16 Knöpfe.
Die zwei Spieler sind:
(S) Der Schneider. Seine einzige aktive Figur ist der Fingerhut.
Der Schneider nutzt die Streichhölzer, um die Kanten zu markieren,
über die der Fingerhut schon gelaufen ist.
(K) Herr Knöpfle. Seine Figuren sind die 16 Knöpfe.
Vorbereitung für eine Partie
In jede der 16 inneren Flächen des Spielbretts wird ein Knopf
gelegt. (Die Aussenfläche hat im Spiel keine Rolle.) Ein Knopf
in einer Fläche heisst frei, ein Knopf auf einem Knoten
zählt als gefangen und kann nicht mehr bewegt werden.
Verlauf des Spiels
Die Spieler ziehen abwechselnd. Vor dem ersten normalen Zug wählt
Herr Knöpfle einen Knoten als Startknoten für den Fingerhut
des Gegners aus. Danach ist die Zugreihenfolge strikt alternierend,
beginnend mit dem Schneider (also S-K-S-K-S-...).
In jedem Zug des Schneiders wandert der Fingerhut von seinem
aktuellen Knoten aus über eine offene Kante zu einem Nachbarknoten.
Es ist wichtig, dass auf dem Nachbarknoten noch kein Knopf liegt und
auf der benutzten Kante noch kein Streichholz.
Am Ende des Zuges wird die benutzte Kante durch längs liegende
Streichhölzer markiert, entweder durch ein einzelnes (bei einer kurzen
Kante) oder mehrere. Es soll ein bisschen so aussehen wie eine
saubere Schneider-Naht. Jetzt kommt der Belohnungsteil des Zuges:
Wenn in mindestens einer der beiden Nachbarflächen der benutzten
Kante noch ein Knopf liegt, darf der Schneider solch einen nehmen
und auf den Startknoten seines aktuellen Zuges legen. Jedoch:
Wenn er will, darf der Schneider auch auf das Umlegen eines
solchen Knopfes verzichten.
Auf jeden Fall muss der Schneider die benutzte Kante mit
Streichhölzern markieren. Der Graph hat 32 Kanten, so
ist die Partie sp&aul;testens nach 32 Zügen des Schneiders
zu Ende. (In der Praxis wird eine Partie selten länger dauern
als 20 Zugpaare.)
Herr Knöpfle hat in jedem seiner Züge die Wahl:
Entweder macht er einfach nichts. Oder er bewegt einen seiner
freien Knöpfe über eine offene Kante in eine
leere Nachbarfacette. (Noch mal zur Klarheit: die Aussenfläche
ist nicht Teil des Spiels.)
Durch seine gelegten Nähte schafft der Schneider nach und
nach ein Netz, was die Beweglichkeit seines Fingerhutes und auch
die der gegnerischen Knöpfe einschränkt.
Auszählen am Spielende
Die Partie endet, wenn der Schneider keine zulässigen
Züge mehr hat. Oft erkennt man schon mehrere Züge
vor dem formalen Ende, dass der Schneider keine weiteren
Knöpfe gefangen nehmen kann. Wenn beide Spieler das so
sehen, kann die Partie schon an der Stelle abgebrochen werden
und das Auszählen beginnen.
Das Zählen funktioniert so: Für jeden gefangenen Knopf
bekommt der Schneider so viel Punkte, wie aus dem zugehörigen
Knoten Kanten herausgehen. Diese Punkte werden aufaddiert.
Es macht also für den Schneider Sinn, Gefangene vor allem
auf Knoten mit vielen Kanten zu machen.
Zwischen zwei Personen A und B werden zwei Partien wie oben beschrieben
ausgespielt. In der ersten ist Spieler A der Schneider und B Herr Knöpfle.
In Partie 2 sind die Rollen vertauscht. Gesamtsieger ist, wer als Schneider
mehr Punkte geholt hat. Im Fall von Punktegleichheit zählt als
"kleiner Sieger", wer in der ersten Partie der Schneider war.
Das Spiel ist so kompliziert, dass es nicht
"einfach" mit Computerhilfe durchgerechnet werden kann.
Siehe auch die Seite zum Brettspiel Karls Rennen.
Hier sind ein paar Fotos aus einer Beispielpartie.
Stellung nach dem ersten normalen Zug des Schneiders. Das Streichholz
zeigt, von wo der Fingerhut zum Eckknoten wanderte.
Nach dem ersten Zug von Herrn Knöpfle. Er hat tatsächlich
einen Knopf umgelegt.
Stellung nach Zug 8 von Herrn Knöpfle.
Nach Zug 13 des Schneiders. Jetzt gibt es für den Fingerhut
keinen zulässigen Zug mehr. So endet die Partie, und es
wird ausgezählt.
Hier sieht man die gefangenen Knöpfe zusammen mit den
resultierenden Punkten für den Schneider. Sein Gesamtscore
ist 41.